Abenteuer Russland

Mein FSJ in Moskau -August 2008 bis Juli 2009-

Weihnachtsbrief

Frohe Weihnachten

und ein schönes Fest wünsche ich euch allen. Außerdem hoffe ich, dass ihr ein paar ruhige Tage mit der Familie und Freunden verbringen könnt.

Seit meinem letzten Rundbrief im Mai habe ich mich nicht mehr gemeldet. Der, eigentlich fest eingeplante dritte Rundbrief wurde mehrmals begonnen, aber leider nie vollständig zu Ende gebracht. Moskau und Russland liegen inzwischen schon einige Monate hinter mir und ca. zweitausend Kilometer entfernt. Ich habe mich trotzdem dazu entschlossen mich noch einmal mit einem kleinen Brief bei euch zu melden, besonders weil mich diese Zeit immer noch sehr beschäftigt.

Inzwischen bin ich nach Hamburg gezogen und studiere dort Flugzeugbau. Mein kleines Zimmer mit Hochbett und großem Fenster (allerdings habe ich aus diesem Fenster einen Blick auf eine schier endlose, leicht rosagraufarbene Mauer), liegt im Viertel „St.-Georg“, welches berühmt für seine stark internationale Gesellschaft (Schwerpunkt Naher- bis ferner Osten) und das scheinbar blühende Geschäft mit der Liebe ist. Dass ich mich in Hamburg eingelebt habe, kann ich noch nicht behaupten, aber immerhin fordern mich die Damen, welche das oben genannte Geschäft ausführen, nicht mehr dazu auf mit ihnen eine nette halbe Stunde zu verbringen. Sie scheinen die Straße gut zu beobachten und wissen inzwischen, dass ich mich in ihrem Viertel eingenistet habe.

Die Vorlesungen in der Hochschule sind leider nur mäßig interessant. Der Schwerpunkt liegt auf Mathematik und Physik. Im Januar wird es ernst, denn dann stehen die ersten Prüfungen an. Zu viele Gedanken daran möchte ich nicht verschwenden, denn schließlich ist jetzt Weihnachten.

Mein letzter Monat als Freiwilliger in Russland kannte keinen Alltag mehr. Besonders die Wochen vor dem Abflug waren durch lange, abwechslungsreiche Tage und kurze, eher schlaflose Nächte geprägt.

Der Abflug verlief unspektakulär. Ich verbrachte den letzten Tag gemeinsam mit Peter bei Tanja und Olga, meiner Gastfamilie. Den Abend ließen wir noch einmal kräftig die Gläser klingen und ich durfte einen kleinen und echt russischen Toast lernen, den ich euch nicht vorenthalten möchte: „Es ging ein Esel durch die Wüste. Er trug eine schwere Last… Nach einem anstrengenden Marsch kam er endlich an der ersehnten Oase an. Er hatte nun die Wahl, entweder Wasser zu schlürfen oder ein wenig Heu zu fressen. Und der Esel überlegte, womit er am Besten anfangen sollte, er überlegte und überlegte… Und weil er sich nicht entscheiden konnte, starb er schließlich an Hunger und Durst. Meine Freunde, trinkt darauf, dass wir nicht wie der dumme Esel handeln, sondern sofort  zum Glas greifen und auch die Speisen ohne große Überlegungen genießen!“ Der Anweisung des Trinkspruches folgend handelten wir an auch. Ich wollte, dass die letzten Stunden meines Abenteuers ein fröhliches Fest, frei von Abschiedstrauer und Sentimentalität, sondern vielmehr gefüllt durch die Freude des Zusammenseins werden sollten. Es war der gelungene Versuch einem erlebnisreichen Jahr eine kleine Krone aufzusetzen.

Angekommen am Frankfurter Flughafen kam es mir seltsam vor, lateinische Buchstaben auf den Hinweisschildern, Werbeplakaten und Anzeigetafeln zu sehen. Auf einmal war alles so einfach, die Hinweise konnte ich mit einem kurzen Blick erfassen und verstehen. Peter meinte dazu: „Ich habe überhaupt keine Lust auf diese deutsche Schrift, dass ist doch alles einfach und uninteressant!“ Ich konnte mich in dem Moment seiner Meinung nur anschließen. Es fehlte dieser kleine „Aha-Effekt“, der einen Stolz macht, weil man etwas ohne fremde Hilfe entziffert und verstanden hat.

Das ist wohl eines der Dinge, die mir immer noch fehlen. Das Leben scheint mir inzwischen zu klar und vorausschaubar. Es gibt für mich kaum Momente in denen ich nicht weiß was auf mich zukommt, an die ich mich später aber dafür detailgenau erinnern werde und die als kleines Erlebnis in meinem Gedächtnis verbleiben werden.

Ein kleines Beispiel für so ein Erlebnis möchte ich hier anführen. Im Juni kam mir die bisher ungewöhnlichste und absurdeste Idee. Ich plante den gesamten Weg von Krasnogorsk (meinem zu Hause) bis zum AFS Büro nur mit Hilfe meiner zwei Beine zu bewältigen. Das ist eine Strecke (laut Google Earth) von 35 Kilometern und führt von der Vorstadt zur  Stadtgrenze und weiter bis ins Zentrum und durchquert dieses sogar. Eine der begangenen Straßen, die Volokolamskoye Chaussee, ist eine der Hauptschlagadern Moskaus und führt direkt auf den roten Platz. Also schaute ich mir im Internet den besten Weg an und versuchte diesen in meinem Kopf zu verinnerlichen. Teilweise musste ich über Bahnschienen, auf kleinen Trampelpfaden oder an stark befahrenen Straßen mein Glück versuchen, weil mich Zäune (die sich in Russland großer Beliebtheit erfreuen) zu Umwegen zwangen. Ein kleines Stück blieb mir nur die Wahl neben einer Eisenbahnschiene zu laufen. Plötzlich hörte ich ein Bellen hinter mir und sah mich zu größerer Eile gezwungen, da ich scheinbar in das Revier von wilden Hunden eingedrungen war. Diese schienen wiederum an meiner Eile Interesse zu finden und erhöhten ebenfalls ihre Geschwindigkeit (und Lautstärke). Ihre Schnauzen klebten inzwischen an meinen Hacken und ich versuchte sie durch Austreten auf einen angemessenen Abstand zu halten, was mir nur mäßig gelang. Mit dem Herz in der Hose erreichte ich im Sprint schließlich den nächsten Eisenbahnhalt und die Stadtgrenze von Moskau.

Nach 8 Stunden und mit einigen Blasen an den Füßen kam ich im Büro an. Da es bereits vier Uhr war konnte ich nur noch zwei Stunden arbeiten und machte mich dann auf den Heimweg (allerdings mit der Metro, da sind nämlich keine Hunde). Der Sold für diesen Tag wurde mir übrigens gestrichen, wie mir die Buchhalterin von AFS gleich in einem Atemzug mit ihrer Begrüßung klarmachte.

Oft denke ich darüber nach, was mir persönlich das Jahr in Russland gebracht hat und es fällt mir nicht leicht diese Frage zu beantworten. Im Gesamten glaube ich, dass ich gar nicht so lange suchen sollte und mich mehr auf das beschränken muss, was unbestreitbar feststeht. Da wäre an erster Stelle die Sprache zu nennen, die mir hier in Deutschland nützlicher ist, als man denken könnte. Besonders in Hamburg gibt es viele Russland-Deutsche mit denen ich durch das Interesse an Russland und der Möglichkeit selber das Russische zu beherrschen ins Gespräch komme.

Außerdem habe ich eine Neugierde für alles entwickelt, was mit anderen Kulturen und Ländern zusammenhängt. So plane ich zum Beispiel eine Reise mit der transsibirischen Eisenbahn. Wann ich die Fahrt antreten werde steht zwar noch nicht fest, aber ich lese gerade intensiv alles, was die Hamburger Zentralbibliothek zu diesem Thema zu bieten hat.

Der wichtigste Grund, wieso ich niemals mein Jahr in Russland bereuen und warum ich so einen Schritt immer weiter empfehlen werde ist, dass ich in dem Jahr viele interessante Menschen und neue Orte kennen gelernt habe. Es gibt Gespräche und Gedanken, die mich sicher jetzt noch beeinflussen und wohl auch den Rest meines Lebens in meinem Kopf herumhängen werden. Denn, wenn ich mir die Frage stelle, wer ich eigentlich bin, so kann ich, genauso wie wahrscheinlich jeder andere Mensch darauf nur antworten, dass ich die Summe meiner Erlebnisse, Erfahrungen, Eindrücke und Gedanken bin, die mein Kopf verarbeitet und geordnet hat. Es war ein Jahr aus dem ich zahlreiche Erinnerungen mitgenommen habe und genau deshalb bedeutet mir die Zeit, die ich in Russland verbracht habe, auch soviel.

Mit diesen tiefsinnigen Gedanken möchte meinen letzten Russland-Brief abschließen und wünsche euch allen eine schöne Weihnachtszeit und ein frohes und erlebnisreiches Jahr 2010!

Mit herzlichen Weihnachtsgrüßen

Martin

23. Dezember, 2009 Posted by | Uncategorized | Hinterlasse einen Kommentar

Wer mit dem Feuer spielt…

Seit dem Prometheus den Menschen das Feuer brachte, nutzen diese jenes als Wärme- und Lichtquelle. Inzwischen sieht man offenes Feuer eher selten. In Moskau scheint es sowieso nur noch beim Anzünden der Zigarette gebraucht zu werden. Gequalmt wird dafür aber umso mehr und ohne Rücksicht auf Kinder und Nichtraucher. So gönnen sich Bus- und Marshrutkafahrer auch am Steuer eine Zigarette, wobei sie zumindest versuchen den Rauch aus dem Fenster zu pusten (was nur sehr unvollständig gelingt). Aber, was zählt ist doch der Versuch…oder?

Offenes Feuer sieht man jedoch, des Frühlings wegen, immer wieder auf den Feldern. Diese werden hier nämlich nach dem Winter einfach mal angezündet, damit trockenes Gras und Gestrüpp abbrennt und der Boden mit nährstoffhaltiger Asche versorgt wird. Diese Flächenbrände sind aus dem Zugfenster hübsch anzusehen, stinken aber ziemlich und tragen ganz bestimmt nicht zum Schutze der Umwelt bei. Auf die Frage der Umweltverschmutzung angesprochen, reagieren die meisten Russen eher etwas unverständlich und behaupten, dass das Flächenbrennen auf den Feldern ein Teil des Naturkreislaufs sei. Na ein Glück, dass der Mensch diesem „natürlichen Prozess“ zu jeder Zeit tatkräftig unterstützt und vorwärtstreibt.

Damit wären die ersten, eher harmlosen Feuerspielchen beschrieben. Leider muss ich jetzt einige etwas ernstere Feuerpunkte ansprechen. Im Oktober vergangen Jahres, bei einem Ausflug in den 20 000 Seelen Ort Osery, unweit von Moskau, wurde mir von einer Babushka folgende Geschichte erzählt als ich mit ihr an einem verkohlten und verlassenen Holzhaus vorbeschlenderte (ich versuche wörtlich wiederzugeben) : „Ja, die Hütte ist vor drei Wochen abgebrannt, nachts…die war aber schon vorher verlassen. Da hatten sich’s ’nen paar Obdachlose gemütlich gemacht. Die haben ein Feuerchen gemacht und ein bisschen Vodka getrunken…na ja, und wie das nun mal so ist, haben die nicht aufgepasst und die Hütte ist abgebrannt. Raus haben die’s nicht mehr geschafft, dafür waren sie zu besoffen.“ Nach diesen Worten saß mir ein dicker Kloß im Hals, was nicht nur an dem schweren Inhalt der Worte, sondern vielmehr an der Leichtigkeit lag, mit denen die alte Dame diese aussprach.

Vor zwei Wochen ist der Dönerstand an meiner Elektritshka Station abgebrannt. Döner heißt hier übrigens Schaurma und ist leider nicht so lecker wie in Deutschland, deshalb betrifft mich dieser Brand auch noch nicht einmal indirekt, da ich den Schaurma nicht esse, dem übrigens nachgesagt wird, er enthalte Fleisch wilder Moskauer Katzen und Hunde. Aber nicht nur Häuser brennen, sondern auch z. B. Autos. Ich befand mich Anfang April in Vykhino, einem eher niederklassigen Stadtteil Moskaus und sah schon aus Ferne schwarzen Rauch. Sensationslustig gesellte ich mich zu den Schaulustigen und sah einen Lada aus dem meterhohe Stichflammen schlugen. Die Feuerwehr kam, das Auto wurde abgespritzt und die Situation war bereinigt. Der Alltag konnte wie gewohnt fortgesetzt werden. Ein paar Tage später musste ich ein paar Dokumente in ein Amt bringen. Ich musste einen Moment warten und konnte dadurch ein Gespräch zweier Sekretärinnen belauschen. Vor wenigen Tagen hatte es im Amt gebrannt, weil in der zweiten Etage ein älterer Herr unter Alkoholeinfluss mit Zigarette in der Hand auf seinem Sofa eingeschlafen war. Folglich musste die Feuerwehr vorbeischauen und das Haus besprenkeln. Das führte dazu, dass sich in der ersten Etage (in der sich das Amt befand) Wasserflecken an der Decke bildeten und sich das Linoleum an einigen Stellen um ein paar Zentimeter anhob (genau darüber schimpften die beiden Damen ganz besonders).

Diesen Artikel zu schreiben veranlasste mich aber ein Brand, der nur zwei Tage zurückliegt. Ein dreigeschossiges Haus, welches sich nur wenige Schritte von meiner Wohnung entfernt liegt wurde Opfer einer kaputten Fernsehlampe. In dem Gebäude befand sich zu meinem Unglück mein Lieblingsladen. Dort habe ich immer sehr leckere frische (fast echt französische) Baguetten gekauft. Außerdem schmerzte mir der Anblick der Verkäuferin, die gerade dabei war, neben verkohlten Holzbalken, auch Lebensmittel aus dem abgebrannten Gebäude zu schaffen. Als ich mein Mitgefühl ausdrückte und meine Hilfe anbot sagte sie: „Da kann man nix machen, takoj byvaet.“ Byvaet heißt übrigens soviel wie „passiert“ oder „kommt vor“ und ist eines der Lieblingswörter der Russen.

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Der oben benannte Lada wird gerade abgespritzt

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Meinem Lieblings-Baguette-Laden fehlt das Dach

19. April, 2009 Posted by | Uncategorized | Hinterlasse einen Kommentar

Die rhetorische Frage nach dem Nutzen von Kopeken

Wozu kann man Kopeken (100 Kopeken=1 Rubel) benutzen?

09-kopeke2Das Ein-Kopeken-Stueck!

Hinweis: Der Ausspruch „Wer die Kopeke nicht ehrt ist des Rubels nicht wert“ gilt leider nur begrenzt, denn damit es sich geschäftlich lohnt müsste man der Kopeke verdammt viel Ehre zukommen lassen. Eine Kopeke sind umgerechnet 0,0003 €!

Antwort: Die Kopekenstücke kann man auch gut anders nutzen!

1: Man kann sie die langen Rolltreppengeländer der Metro runterrutschen lassen (als praktisches Beispiel eines musikalischen Decrescendos) [wird oft praktiziert]

2: Man kann sie einfach im Portemonnaie lassen, damit das Ding dick wird und nach Geld aussieht [wird manchmal praktiziert]

3: Man kann sie einfach im Kaufhaus lassen oder in die Spendendose bei McDonalds schmeißen [wird von mir praktiziert]

4: Man kann sie sammeln, einschmelzen und als Rohmaterial verkaufen [wird nicht praktiziert]


Der BONUS zum BONUS:

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Ein Leckerbissen für alle die Herr des kyrillischen Alphabets sind.

20. März, 2009 Posted by | Uncategorized | 1 Kommentar

Unterwegs in Russland

Die letzten drei Monate waren für mich fast alltagsfrei. Ich bin sehr viel gereist und habe dadurch Russland endlich von der „Nicht-Moskauer-Seite“ kennen gelernt. Die erste große Reise führte mich nach Nizhni Novgorod (früher Gorki). Die Stadt liegt malerisch an der Mündung der Oka in die Wolga. Es war bitterkalt (-25°Celsius), aber die Sonne ließ sich, im Gegensatz zu Moskau, den ganzen Tag am Himmel blicken.

Zwei Wochen später besuchte ich Johannes in St. Petersburg. Wir besichtigten die großen Petersburger Kathedralen, Schlösser und die Peter-Pauls-Festung. In der dortigen Kathedrale befinden sich, versteckt unter dickem Marmor, die leiblichen Überreste der kompletten Romanow-Dynastie. Eingehend ließen wir uns von einer „Museums-Babushka“ das tragische Ende der Monarchie in Russland erzählen. Im Theater waren wir natürlich auch und das gleich doppelt! Rundum – ein Kulturschock im wahrsten Sinne des Wortes.

Die größte Reise unternahm ich Ende Februar nach Krasnodar, die neue Heimat meines AFS FSJ- Russlandkameraden Peter. Die Stadt liegt, stolze 33 Zugstunden von Moskau entfernt, unweit des schwarzen Meeres. Die Zeit im Zug verbrachte ich sehr angenehm mit einem älteren Herrn. Wir unterhielten uns viel über das harte Leben in Russland, seine schlechte Rente, seine ehemalige Arbeitsstelle… Als Krönung unserer Freundschaft durfte ich ihm einen Liebesbrief auf Deutsch, Englisch und Französisch übersetzen. Wie romantisch!

Aus dem blassen und kalten Winter kam ich nun in wunderschönes, warmes und sonniges Frühlingswetter. Drei Tage entdeckte ich mit Peter seine hübsche und relativ ruhige Stadt. Nach diesen Tagen zog es mich noch weiter in den Süden, bis heran an die georgische Grenze. Im Kaukasus bei Sochi (dort werden 2014 die olympischen Winterspiele stattfinden), hatte ich zwei Tage lang die Möglichkeit auf Skiern die Berge hinunter zu sausen und dabei die Gebirgszüge, die sich unten bereits begrünt, aber an der Spitze schroff und mit weißem Überzug zeigten, zu bewundern. Den letzten Tag verbrachte ich in Sochi am schwarzen Meer. Ein Tag, der mir besonders durch die unerwartete Begegnung mit Palmen in Erinnerung geblieben ist. Die Region um Sochi ist ein kleines Paradies auf Erden, oder besser gesagt in Russland.

KLEINES REISE-ALBUM

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Die Mündung der Oka in die Wolga in Nizhni Novgorod.

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Das wohl bekannteste Denkmal von Peter dem Großen. Gestiftet wurde es von Katharina der Zweiten.

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Beim Schneetreten am Nevaufer

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Das Aleksandrovsky Theater in Petersburg mit stolzen fünf Rängen. Wir schauten uns Brechts Werk Mann=Mann an. Von ganz oben, d.h. besser gesagt den Sternen ein Stück näher wie uns gesagt wurde als wir unsere Plätze suchten.

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Mein werter und sehr unterhaltsamer Zugnachbar auf dem Weg nach Krasnodar.


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Das Kunstmuseum im Zentrum von Krasnodar, welches ein Paradebeispiel für den neo-altrussischen Stil der Jahrhundertwende ist.

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Der Kaukasus nahe der georgischen Grenze am Berg Alpika.

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Palmen am Bahnhof in Sochi

20. März, 2009 Posted by | Uncategorized | 1 Kommentar

Über Kleidung und Modegesetze

Da ich täglich sehr ausgiebig die öffentlichen Verkehrsmittel nutze, habe ich natürlich auch die Möglichkeit die Russen „genauer unter die Lupe“ zu nehmen. Mein Augenmerk viel dabei besonders auf die Kleidung. Russische Männer tragen im Allgemeinen unauffällige und dunkle Kleidung. Im Winter sind das lange Mäntel oder (viel häufiger) kurze, eng anliegende Jacken, die schwarz glänzen und einen Pelzkragen haben. Selbst im Sommer tragen Russen lange Hosen (oft Jeans), auch wenn man damit so richtig ins Schwitzen kommt, da kurze Hosen als unattraktiv gelten.

Was den Männern, meines Erachtens, an Modebewusstsein fehlt, setzten die russischen Damen hinzu. Hier die drei wichtigsten Mode-Grundgesetze.

§1: Eine russische Frau würde nie ungeschminkt das Haus verlassen.

§2: Das Ensemble muss stimmen. Jedes paar Handschuhe passt genau zu einer bestimmten Kopfbedeckung, Handtasche usw.

§3: Wer schön sein will muss leiden (oder besser gesagt: Frieren) Selbst der kalte Winter hindert einige junge Russinnen nicht daran einen kurzen Rock mit Feinstrumpfhose und ein paar hübschen Stöckelschühchen zu tragen. Vom Gucken wird einem da zumindest nicht kalt.

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Russische Frauen Originalaufnahmen wurden leider zensiert, deshalb die hausgemachte Fälschung

20. März, 2009 Posted by | Uncategorized | 1 Kommentar

Ich, ein Lehrkörper

Seit ein paar Wochen habe ich eine neue Arbeit, die mir viel Spaß bereitet. Ich bin zum Deutschlehrer in einem Gymnasium in Krasnogorsk befördert worden. Dort unterrichte ich jeden Donnerstag eine sechste Klasse. Diese Klasse hatte bis vor wenigen Wochen keine Deutschkenntnisse. Inzwischen können sie immerhin schon das Alphabet aufsagen, sich begrüßen und die Frage nach Geschwistern und Alter beantworten. Ich staune jedes Mal mit wie viel Interesse die Schüler dabei sind. Die letzte Stunde haben wir gemeinsam das Lied „Mein Hut der hat drei Ecken“ inklusive Choreographie erarbeitet. Das erinnert mich auf sehr seltsame Art an meine eigene Schulzeit, denn ich fange an meinen Kopf nach Ideen, Liedern und Spielen für den Fremdsprachenunterricht zu durchwühlen. Ein Problem habe ich noch immer damit mir die Namen meiner Schüler zu merken. Ich habe sie bisher aufgefordert ein Namensschild zu basteln, allerdings ist das nicht ideal, da einige Mädchen eine ganze Stunde damit verbringen ihren Namen (äußerst kunstvoll) auf Papier zu zeichnen und dem Unterricht dadurch nur wenig folgen können.

Der Höhepunkt meiner bisherigen Tätigkeit als Deutschlehrer war die Teilnahme (als Jurymitglied) am Wettbewerb „Jugend debattiert international“ im Goethe Institut Moskau. Hier durften Moskauer Schüler auf Deutsch Fragen wie „Soll in Russland eine obligatorische Hofpause eingeführt werden?“ diskutieren. (Hinweis: In Russland dürfen Schüler während der Schulzeit das Schulgebäude nicht verlassen.)06-lehrer1

Mein neuer Arbeitsplatz, das Gymnasium №7 in Krasnogorsk. Ein Bau, der ganz stark an die DDR-Schulen „Erfurter Typ“ erinnert.

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20. März, 2009 Posted by | Uncategorized | Hinterlasse einen Kommentar

Was denken Russen über Deutsche?

Sicherlich ist das eine Frage, die sich jeder Deutsche der Russland bereist irgendwann stellt. Ich muss sagen, dass ich fast ausschließlich positive Meinungen über Deutschland gehört habe. Natürlich gelten wir als pünktlich, organisiert und zuverlässig. Wir sind große Biertrinker und bauen tolle Autos. Auch in den Schulen hat Deutsch einen relativ hohen Stellenwert. An den meisten Schulen ist Deutsch nach Englisch die zweite Fremdsprache. Es gibt aber auch Schulen, an denen die Kinder Deutsch sogar als erste Fremdsprache lernen. Viele Herren mittleren Alters haben zu Deutschland eine besondere Beziehung, da sie in der DDR ihren meist sehr langen und harten Militärdienst absolvieren mussten. Diese Männer prahlen dann mit Wörtern wie „Achtung“, „Gutten Tag“ oder „Chände choch, Gitler kaputt“ und erzählen mir von Städten wie Cottbus, Rostock oder auch Magdeburg. Obwohl das natürlich keine überragenden Kenntnisse sind, so freue ich mich doch immer wieder über das Interesse und Lächeln, das mir dadurch zuteil wird.

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Türen aus Deutschland und gleich daneben ein hübscher Audi. Da hat die deutsche Qualität ja gleich doppelt zugeschlagen.

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Wer die kyrillischen Buchstaben beherrscht ist hier klar im Vorteil. Auf dem Schild steht: Deutsches Bier-Haus

20. März, 2009 Posted by | Uncategorized | 2 Kommentare

Glückliche Nachbarschaft

Nun wohne ich schon ein paar Monate in meiner eigenen Wohnung. Ich habe inzwischen einen guten Teil meiner Nachbarn kennen gelernt und wurde auch schon auf eine Tasse Tee eingeladen. Ich habe das seltsame Gefühl, dass bereits alle Hausbewohner wissen, dass sich im sechsten Stock ein Deutscher eingenistet hat, ich aber natürlich längst nicht alle Leute im Haus kenne. Meine Nachbarn sind alle sehr hilfsbereit und herzlich, was ich hier anhand von zwei Beispielen zeigen will.

Nachdem ich nach meiner Weihnachtsfahrt wieder zurück nach Moskau gekommen war, befand ich mich am Folgetag alleine in meiner Wohnung und zum ersten Mal fühlte ich mich auch wirklich allein. Ich hatte keine Lust mein Gepäck auszupacken und wollte eigentlich nur so schnell wie möglich wieder zurück nach Deutschland. Ich entschied mich ein wenig Sax zu spielen (ich habe mein Saxophon nach Weihnachten mit nach Moskau genommen). Nachdem ich fünf Töne gespielt hatte, klingelte es an der Tür. Eine Nachbarin (die ich zum ersten Mal sah) stand vor mir und ich erwartete schon einen Meckermonolog, weil ich wohl zu laut gespielt hatte, aber sie sagte: „Oh, du spielst aber schön Saxophon, ich war auch mal auf der Musikschule und habe dort Klavier gespielt. Kannst du mir etwas vorspielen?“ So kam es dann, dass ich ihr im Hausflur ein kleines Ständchen spielte. Während ich spielte öffnete sich noch eine Wohnungstür und eine Frau mit Kind gesellte sich zu uns. Anschließend fühlte ich mich ein Stück weniger einsam und hatte viel bessere Laune.

Ein anderes Mal klingelte es morgens um acht (ich war gerade aufgestanden). Ich öffnete die Tür und vor mir stand eine Nachbarin mit Zahnbürste in der Hand und Baby im Arm. Sie fragte: „Kannst du mir mal Zahnpasta geben?“ Nett wie ich bin habe ich ihr natürlich Zahnpasta auf die leere Bürste geschmiert. Ich finde, dass genauso die ideale Nachbarschaft aussieht!

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Meine Wohnungstür. In diesem Korridor habe ich mein kleines Sax-Ständchen gespielt.

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In der fünften Etage (ich wohne in der sechsten Etage) steht traurig ein verlassenes Klavier. Ab und zu spiele ich ein wenig darauf.

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Das ist mein Block. Ich wohne ganz oben rechts.

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Abendlicher Blick aus meinem Küchenfenster


20. März, 2009 Posted by | Uncategorized | Hinterlasse einen Kommentar

Die Polizei, dein Freund und Helfer

Ich befand mich am 14. Januar alleine gegen Mitternacht bei -20°C an einer Bushaltestelle etwa drei Kilometer von meinem Heim entfernt. Die zwei Busse, die laut Fahrplan hätten kommen müssen, kamen einfach nicht. Das heißt ich war zum ersten Mal in Russland auf ein Taxi angewiesen. Da ich aber die Nummer der Taxizentrale nicht im mobilen Telefon eingespeichert hatte, entschied ich mich durch „Armraushalten“ ein Auto zu stoppen. Das wird in Russland sehr oft praktiziert. Die Fahrer der Autos die anhalten verlangen dann einen Fahrpreis, der leicht unter dem Preis eines legalen Taxis liegt. Ein Lada Zhiguli hielt für mich an und der Fahrer (ein Aserbaidschaner) verlangte 200 Rubel für die Fahrt. Nachdem es mir gelungen war den Preis auf 150 Rubel zu drücken ging es auch schon, mit stotterndem Motor, los. Nach einigen Metern bemerkte ich, dass die Frontscheibe bereits mehrere Risse hatte und ich mich nicht zurücklehnen konnte, da die Lehne meinem Gewicht nicht mehr standhielt.

Nach wenigen Minuten Fahrt entdeckte ich in der Ferne eine Polizeikontrolle. In so einem Auto werden wir bestimmt angehalten, dachte ich mir. So kam es dann auch. Der Aserbaidschaner verschwand mit einem Polizisten nachdem er seinen Dokumentenstapel nervös aus dem Handschuhfach gefingert hatte und ließ mich alleine im Lada zurück. Eine Minute später kam ein Polizist zu mir und verlangte meine Dokumente:

Polizist: Dokumente!

Ich: Bitteschön (ich reiche ihm meine Visa- und Passkopie)

Polizist: Was’n das? Kopien? Ich brauch die Originale! Das ist Gesetz!

Ich: Die sind zu Hause, ich weiß aber, dass Kopien ausreichend sind.

Polizist: Na gut.

Polizist kontrolliert fünf Minuten lang eingehend meine etwas abgenutzten Kopien

Polizist: Was machst’n hier in Russland?

Ich: Ich absolviere bei einer Schüleraustauschorganisation einen alternativen Dienst zur Armee. […]

Polizist: (überlegt) Aha, nicht in der Armee, aber vom deutschen Staat nach Russland geschickt. Du bist ein Spion, dich nehm’er gleich mal auf die Station mit!!

Ich: (großer Schreck) Nee, ich bin kein Spion!

Polizist tritt ab, nimmt meine Dokumente mit und fünf weitere Minuten vergehen.

Der Aserbaidschaner kommt mit einem dicken Stapel Papier zurück ins Auto. Wir fahren los und ich suche mir aus dem Stapel meine Papiere raus, die sich irgendwo lose darin befinden. Der A. meint: „Sch*, ich musste dem Bullen 200 Rubel (ca. 5€) Schmiergeld geben, damit wir weiterfahren dürfen, Alternativdienst – was isn das eigentlich für’n Sch*?“ Immerhin hat er mich noch bis nach Hause gekarrt und ich habe im dafür netterweise 200 statt 150 Rubel gegeben, damit sich zumindest Soll und Haben für ihn ausgleichen konnten.

Ich habe nach dieser interessanten Fahrt nachgefragt, was man eigentlich für Geld in Russland kaufen kann. Die Antwort: „Im Prinzip alles!“ Wenn man von der Polizei kontrolliert wird und man keine Dokumente dabei hat kostet das etwa 500 Rubel (ca. 12€). Will man sich eine Kriegsdienstbefreiung erkaufen kann das auch schon ein neues Auto oder gar eine Wohnung kosten. Führerscheine, ärztliche Bescheinigungen usw. kann man auch ohne große Probleme kaufen, wenn man die richtigen Leute kennt. Fazit: In Russland braucht man sich um nichts sorgen zu machen, wenn man genug Geld hat. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass sich Russen zu Geburtstagen und anderen Festivitäten neben Erfolg, Liebe und Gesundheit auch immer Geld wünschen.

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Ein Lada Zhiguli

20. März, 2009 Posted by | Uncategorized | 1 Kommentar

Wo sich Elektrozüge und Hasen guten Morgen sagen

Diesen Artikel möchte ich den öffentlichen Verkehrsmitteln (außer Metro) Moskaus widmen. Ein paar Schritte von meiner Haustür entfernt befindet sich eine Bushaltestelle. Hier fahren Linienbusse, wie auch Marshrutka, in Richtung Moskau ab. Die Busse sind meistens ein wenig veraltet und nicht besonders warm (Innentemperatur = Außentemperatur). Wenn man einsteigen will, muss man dies durch die erste Tür tun und dann Mithilfe der Fahrkarte ein Drehkreuz passieren. Dieses Drehkreuz wird aber besonders von der russischen Jugend nicht ganz regelkonform benutzt, da jene unter dem störenden Balken einfach durchschlüpfen. Angst vor den äußerst seltenen Kontrolleuren braucht man nicht zu haben. Der Preis für ein Ticket beträgt 20 Rubel (40 Cent) und die Strafe liegt bei ungefähr 40 Rubel (die genaue Strafe ist von der Laune des Kontrolleurs und dem eigenen Geldbeutel abhängig).

Marshrutkas sind Minibusse in denen in den meisten Fällen für maximal 20 Fahrgäste Platz ist. Sie sind schneller, komfortabler und vor allen Dingen wärmer als die Busse. Den Fahrpreis muss man direkt beim Fahrer bezahlen, der auch gleichzeitig aufpasst, dass alle Fahrgäste bezahlen. Sollte das einmal nicht der Fall sein, so fährt er einfach nicht los und wartet bis das Geld ankommt (das kann manchmal ganz schön dicke Luft geben). Wenn man aussteigen will, so muss man laut und rechtzeitig rufen: „Bitte an der nächsten Haltestelle anhalten!“

Die Elektritschka (auch Vorortzug) ist das unbequemste Transportmittel. Die Waggons, die teilweise schon historischen Wert haben, besitzen nur am Anfang und am Ende eine Schiebetür, die sich fast immer automatisch öffnet, ansonsten muss man grob mit Händen und Füßen nachhelfen. Der Innenraum ist mit meist hölzernen Sitzbänken gefüllt auf denen, meiner Ansicht nach, nur 2⅓ Menschen Platz finden, trotzdem müssen sich immer drei Menschen auf eine Bank quetschen. Leider sind die Elektritschkas meist hoffnungslos überfüllt. Einmal habe ich es nicht mehr geschafft die Elektritschka zu betreten, weil diese schlichtweg von Menschenmassen überquoll! Ich musste bei unangenehmer Kälte 20 Minuten auf den nächsten Zug warten. In der Elektritschka fahre ich oft als Hase (hiesige Bezeichnung für Schwarzfahrer). Einmal wurde ich als Hase enttarnt und musste 20 Rubel Strafe bezahlen (weniger als der eigentliche Fahrpreis). Der Kontrolleur verzichtete dabei auf jeglichen Papierkram und steckte sich das Geld kurzerhand in seine Jackentasche.

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Eine Elektritschka

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Eine Marschrutka

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Ein Trolleybus (auch Straßenbahn auf Rädern)

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Meine Bushaltestelle bei Sonnenschein

20. März, 2009 Posted by | Uncategorized | Hinterlasse einen Kommentar